Mittwoch, 17. April 2013

Konnichi Wa aus Nippon - ich lebe noch....

Die letzten Tage waren deutlich anstrengender als vermutet; auf diesem Trip macht mir zum ersten Mal seit langem die Zeitverschiebung richtig zu schaffen. Im Job mache ich den Frontbeschaller für meine japanischen Kollegen. Aber drei Tage am Stück fast ausschliesslich reden zu müssen, teilweise mit Simultandolmetscher, ist kein Zuckerschlecken. Erinnert ein wenig an die vielen Messestand-Auftritte die ich bei meinem letzten Arbeitgeber absolvieren durfte. Immerhin gibt es hier Stühle und ich muss nicht den ganzen Tag stehen.

Daher gab es jetzt mal 2 Tage Schweigen.

Nicht, daß einer meint ich wäre in der Zeit untätig gewesen. Nein, nein, ich habe weiter nach gutem Essen und interessanten Dingen gesucht.

Die Kernfrage, die mich aktuell beschäftigt ist: Wie geht das in Japan mit dem Kennenlernen und Flirten?
In China grassiert die Vogelgrippe und schon hat in Japan eine massive Anzahl an Menschen wieder diese Dr. Brinkmann OP Schutzmasken auf. Glücklicherweise sind meine lokalen Arbeitskollegen anscheinend davon überzeugt, daß ich keine Gefahr darstelle und in meinen Meetings setzen sie die Dinger freundlicherweise ab.

Wenn jetzt ein Japaner oder eine Japanerin ihr gegenüber interessant bis attraktiv findet, wie zeigt man das dann, wenn man sich so gesichtsverschanzt wie die Menschen auf den folgenden Fotos:



Freundliches Augenzwinkern? Ob das alleine reicht? So mit Lächeln ist da wohl eher schlecht. Oder riskiert man das dann doch den Schutzfummel vom Gesicht zu ziehen, kurz und heftig zu Lächeln und dann den Antivirenzellstoff wieder vors Gesicht zu schieben. Romantisch stelle ich mir das nicht unbedingt für den Durchschnittsmenschen ohne Klinikfetisch vor. Da wird man wohl in den nächsten Jahren ein Auge auf die Anzahl Hochzeiten und Geburten haben müssen, um rauszufinden ob das Folgen für die japanische Population haben kann. Ob man sich als Alien so besser assimilieren kann? Könnte ich ja mal ausprobieren, wenn ich am Wochenende abends mal ausgehen sollte. Was auch immer passiert, der Japaner kann hinterher immer guten Gewissens sagen, daß die Gefühle gesiegt haben. Aussehen hat da nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Und noch ein Novum: Ich war 2 Tage hintereinander im selben Lokal essen. Ja, es wird Zeit wieder über Essen zu reden. Ich hatte bei meinem letzten koreanischen Dinner direkt daneben ein Restaurant für Fisch und Meeresfrüchte ausgemacht. Das wollte ich unbedingt ausprobieren und bin ganz furchtlos rein. Und was soll ich sagen, was ein Spass. Es läuft ziemlich laute japanische Heavy Metal Musik zur Gästeunterhaltung. Die Bedienungen übertönen die Musik mit geschrieenen Bestellungen und es herrscht eine infernalische Geräuschkulisse. Und es ist genau gut so. Man mag das kaum glauben. Aber es ist gut. Man bekommt einen Platz zugewiesen, hört den Satz "No english menu" (keine englische Speisekarte) und der Spass kann beginnen.

Kurzer Blick auf die Frischeauswahl:

Ja, die Muscheln sind am Leben!
Speisen oder Getränke? Keine Ahnung....


Dann kurz auf einen Fisch gedeutet, Rückfrage des Personals "Sashimi?" Glück gehabt, wenn man das vom Sushi her kennt und mit einem Kopfschütteln auf den Grill deuten kann. Dann darf man warten, mit viel Glück auf einem Platz direkt vor dem Grill, und seinem Abendessen beim gar werden zuschauen. Nebenbei entdeckt man dann eine Reihe anderer Köstlichkeiten... gegrillter grüner Spargel (der Grösse nach aus Fukushima), Pilze in Alufolie mit Gewüzen und Sosse in der Alufolie auf dem Grill gegart und vieles mehr.
Meiner! Noch nicht gar!
Ok. Jetzt in gar und lecker und ohne Scheibe dazwischen!
Das mit dem Spargel und den Pilzen hat mich dann doch den ganzen Abend nicht mehr losgelassen und deshalb bin ich am folgenden Abend gleich wieder hin. Diesmal hatte ich mein Pointing Book dabei, indem freundlicherweise grüner Spargel und Pilze abgebildet waren. So ein Pointing Book ist in Japan ausserordentlich nützlich, wenn man kein Japanisch kann. Sinnigerweise sind auch passend Fotos von Pilzen und grünem Spargel gleich drin. (Ob der Autor diese Lokale kennt? Und kann man bei einem Pointing Book von einem Autor überhaupt sprechen?)

Die Bedienung jedenfalls verstand sofort was ich wollte und obendrauf habe ich mir noch so einen Flossenbruder wie am Vortag auf den Kohlengrill legen lassen. In diesem kleinen Lokal gibt es keine andere Kochstelle als einen offenen Kohlengrill hinter einer Scheibe, so das man dem Koch die ganze Zeit zuschauen kann. Und dann kam der Pilz, nicht die Pilze in Alufolie, und das war sowas von Lecker.... Shitake-Pilz vom Grill mit Home-made Wasabi und nem Tropfen Sojasosse.

Schon leicht angebissen.. ich war jung und hatte Hunger!
 Ziemlich zügig gesellte sich der Spargel dazu, der mit einer Art Mayonaise aufgetischt wurde.
Sieht nicht filigran aus, war er auch nicht. Aber lecker! In
Deutschland würde man in dieser Größe den Spargel kaum noch verkaufen können,
weil jeder meint das Teil wäre dann "holzig". Ganz im Gegenteil war der Spargel sehr zart
und delikat... 

Zum Schluss kam dann wieder der Fisch...
Sieht gar nicht so gefährlich aus
Oder doch gefährlich? Und eine ganze Menge Gräten waren auch
inklusive. Das ist mit Stäbchen kein Vergnügen.
Dummerweise war das Lokal ziemlich voll und um mich herum bestellten die Einheimischen alle Arten von Köstlichkeiten, die ich zwar sehen konnte, wohl aber auch mit meinem Pointing Book nicht bestellt bekomme. Trotzdem werde ich nochmal dort hingehen und mein Glück versuchen.


Besonders schön finde ich die Automaten mit den riesigen Touchscreen-Bildschirmen. Wie lang so etwas in Deutschland wohl an einem Bahnhof überleben würde? Irgendwie kamen mir gleich diese tresoartigen Edelstahlquadrate in Größe eines Kleinbusses in den Sinn, die auf deutschen Bahnhöfen öfter mal platziert werden. Durch ein engmaschiges, fingerdickes Stahlnetz kann man dann mit schiessschartenähnlichen Sichtfeld versuchen herauszubekommen, welche Ware man vielleicht zu einem teilweise erkennbaren Preis erwerben kann, falls der Automat tatsächlich noch funktioniert. In Japan sieht sowas dann so aus:
Jeweils auf der rechten Seite ist ein Leergutsammelbehälter.
Pfand kennen die Japaner nicht. Brauchen Sie auch nicht.
Hier wirft auf der Strasse keiner auch nur irgendwas weg.

Die Bedienungsanleitung wird regelmässig eingeblendet.
Wetter, heute morgen um 7:30 Uhr. Bedeckt, 17 Grad, leicht windig.
Die Sonne war gelogen.

Heile. Funktionsfähig. Keine Aufkleber drauf. Keine Kratzer auf der Scheibe. Keine Graffitti dran.
Nebenbei wird Werbung oder aktuelle Wetterbericht gezeigt. Und das steht auf einem Bahnhof.
Und auch der Rest vom Bahnhof ist sauber. Zwar ist der Bahnhof nicht neu, aber immerhin vollkommen vandalismusfreie Zone.

Was gab es noch zu entdecken? Eine 3-stöckige Flutlicht-Driving Range für Golfspieler mitten in der Stadt. Die Teile gibt es hier reichlich, erkennt man immer leicht an den riesigen Umnetzungen, die deutlich höher sind als die meisten Häuser. (Hier wird wg. der Erdbeben genrell eher flach gebaut). Da klopfen die Japaner dann wie die wahnsinnigen auf 3 Stockwerken um die Wette. Ist eine ziemlich lustige Geräuschkulisse, weil keiner redet, sondern alle pausenlos Bälle schlagen. Wenn man hier nachts mal die ganzen Bälle einsammeln würde, dann hätte man ein ordentliches Vermögen zusammen.


Dann gab es in der Shinagawa Station eine mobile Schönheitsfarm zur Rush-Hour, die von einer der Damen lauthals über eine Mötorhead-würdige PA-Anlage angepriesen wurde und auch noch bis in den letzten Winkels des Bahnhofs zu hören war. Mein Respekt gehört den Frauen, die sich da im Getümmel professionell aufpimpen lassen. Das muss man erstmal können. Gestern da. Heute nicht mehr. Die japanische Avon-Verschnitt Clique wird wohl in einem anderen Bahnhof unterwegs sein.


Aktuell gibt es ein Kaffee-Spassgetränk im Supermarkt mit kostenloser Modellautobeigabe. Ob das eine wirklich authorisierte Aktion von Mercedes Benz ist? Morgen muss ich den Drink wohl oder übel mal probieren, frei nach dem Motto: "Das Beste oder nichts" - hoffentlich ist da auch das Beste drin.... huihuihui.


Dem Italiener würde dieses nette, kleine Etwas wohl die Tränen in die Augen treiben: "Fettucine" aus Fruchtgummi; ich glaube mit Mangogeschmack, bin aber nicht sicher. Sah zumindest nicht lecker genug aus, als das ich das probieren wollte. In der Kantine heute mittag hatte ich aus einem mir unbekannten Grund keinen Apetit mehr auf Nudeln.....


Mein Freund der Kaffee-Automat. Japaner sind ja sowieso sehr automaten-affin. Auch Kaffee-affin, sofern er denn aus Dosen in Supermarktregalen kommt. Oder auch mal frisch bei Starbucks. Generell ist man nicht so kaffee-verliebt wie in Europa oder den USA. Aber wie erwähnt - und siehe auch oben - automatenbegeistert. In Japan muss immer alles irgendwie auch 24h verfügbar sein, was der Japaner oder die Japanerin so zum täglichen Leben braucht oder brauchen könnte. Fast überall wo man ist, kann man sich umdrehen und sieht Automaten. Mit Getränken, Zigaretten und was weiss ich noch allem. Oder man sieht einen kleinen Supermarkt der von 07:00 -23:00 Uhr oder noch länger auf hat. Und im Erdgeschoss oder direkt neben jedem Bürogebäude ist so eine kleines Einkaufswunderland, das von Frischmilch über Atemschutzmasken, Unterwäsche, Geldautomaten, kleinem Warmverpflegungsangebot und was weiss ich nicht noch im Angebot hat. Im Bürogebäude meines Arbeitgebers ist auch so ein Shopping-Wunderland und hat diesen kleinen tollen Automaten. Man geht an die Kasse, sagt ob man Eiskaffee (auch als Latte verfügbar) oder normalen Kaffee (auch in der Latte Version erhältlich) möchte und erhält einen Becher (bei Eiskaffee mit Eis drinnen). Drunterstellen - also den Becher, nicht sich selber bitte -, Knopf drücken und es gibt einen leckeren Kaffee. Ich habe nur 3 Tage gebraucht und jede Kassiererin indem Shop weiss, der Typ will Kaffee. :-) Daher kommt wohl der Begriff "Convenience Store" - ich zumindest finde das sehr convenient.



So liebe Leser... das muss erstmal reichen.... ich muss ins Bett und meinen Jetlag endlich weg bekommen.
Für morgen Abend bin ich vom japanischen Projektteam aufgefordert mit Ihnen zusammen auszugehen.
So scheinbar bin ich wirklich angekommen in Japan....

Also seid gespannt, was ich dann berichten werde und bleibt mir solange gewogen.

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